Konventionelle Insektizide bekämpfen erfolgreich Pflanzenschädlinge, wie den Rapsglanzkäfer. Aber zugleich greifen sie in die Selbstregulierung der Natur ein. Denn sie töten auch die natürlichen Feinde des Käfers. Und ohne Gegenspieler kann sich der Schädling ungehindert ausbreiten. Ebenso beeinträchtigen diese Mittel die Vielfalt der Bodenorganismen, die für eine gute Fruchtbarkeit der Anbauflächen wichtig ist. Doch Claudia Daniel, Wissenschaftlerin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) kennt mehrere wirksame Alternativen zum konventionellen Pflanzenschutz.

Für die Forscherin ist die praktische Anwendung ihrer Erkenntnisse ausschlaggebend. Und so weiss sie auch, wie man Landwirt*innen von einer biologischen Produktionsweise überzeugt: indem man sie in die Forschung einbindet und Versuche direkt auf landwirtschaftlichen Betrieben durchführt. So sehen sie den Nutzen selber und helfen dabei das Wissen zu verbreiten:

Wer ist diese Forscherin, die konventionellen Pestiziden den Kampf angesagt hat?

Seit Claudia Daniel am FiBL ist, hat sie viele Pflanzenschutzprojekte durchgeführt. Einige beschäftigen sich mit dem Obstbau, andere mit dem Gemüse- und Ackerbau. Das Rapsprojekt ist also nur ein Beispiel von vielen. Es zeigt aber gut, dass Forschung meist nicht geradlinig läuft. Jede Erkenntnis bringt weitere Fragestellungen mit sich. Jedem Erfolg folgt irgendwann mal ein Misserfolg. Und deshalb muss die Forscherin auch manchmal ganz neue Herangehensweisen ausprobieren, um bei der Lösung der vielschichtigen Probleme im Biorapsanbau voranzukommen.

Das Rapsprojekt startet

Zunächst fängt alles ganz klein an: im Jahr 2007 startet Claudia Daniel ein Projekt, um die natürlichen Feinde der Schädlinge, die sogenannten Nützlinge, zu fördern. Dies sind meist andere Insekten, die die Anzahl der gefrässigen Rapsglanzkäfer in Schach halten sollen. Denn dieser Käfer ist der häufigste Rapsschädling in der Schweiz und zerbeisst auf der Suche nach Blütenpollen und Nektar die noch geschlossenen Rapsknospen.

Und zerstört dabei die zukünftige Ernte.

„Aber das Projekt war ernüchternd, denn wir wollten [Gegenspieler des Rapsglanzkäfers, sogenannte] Parasitoide finden, aber es waren schlicht keine da“, sagt die Forscherin. Es sei erschreckend, da man in Publikationen aus den 80ern und 90ern noch eine grosse Anzahl dieser Nützlingen nachweisen konnte, aber in den heutigen Proben sei so gut wie gar nichts drinnen. Die Agronomin vermutet, dass die Nützlinge fehlen, weil die konventionelle Landwirtschaft Insektizide einsetzt. Denn diese vernichten nicht nur die Schädlinge, sondern auch deren Gegenspieler.

Doch die Förderung von Nützlingen ist nur eine Strategie im biologischen Pflanzenschutz. Daneben gibt es viele weitere Massnahmen. Etwa die Wahl eines geeigneten Standortes, an dem die Kulturpflanzen gut wachsen.

Die Käfer überwintern im Wald

Um die Nachhaltigkeit des Rapsanbaus zu fördern, untersucht Claudia Daniel in den ersten Projektjahren, wie die Landschaft die Besiedlung der Felder mit dem Rapsglanzkäfer beeinflusst. Dabei stellt sie fest, dass vor allem die Nähe zum Wald wichtig ist. Denn diese Käfer überwintern im Waldboden und besiedeln im Frühling vom Wald aus die nahe liegenden Rapsfelder.  

Bewegt man im folgenden Bild den Schieber von oben nach unten sieht man, wie die Rapsglanzkäfer vom Wald aus ins Innere des Feldes einwandern:

Um die Käferdichte zu ermitteln, legt die Forscherin ein Raster mit Probeorten über das Rapsfeld. An jedem Ort zählt sie dann, wieviele Rapsglanzkäfer an zehn Pflanzen zu finden sind. Eine gelbe Farbe bedeutet, dass keine Käfer, eine dunkelrote Farbe, dass bis zu 35 Käfer an einem Probeort vorhanden sind.

Für Claudia Daniel ist klar, dass nicht jeder Standort für den biologischen Rapsanbau geeignet ist. Die Nähe zum Wald sollte gemieden werden. Aber auch Böden die viel Ton enthalten oder Lagen höher als 600 Meter über dem Meeresspiegel gelten als ungeeignet. „Denn Biobauern können im Gegensatz zu konventionellen Bauern ihre Probleme nicht einfach wegdüngen und wegspritzen“, sagt die Wissenschaftlerin.

Drücke auf die blauen Buttons um zu sehen wo sich eine Rapspflanze wohlfühlt:

Die Düngung beeinflusst die Rapsernte

Raps benötigt zum Wachsen Stickstoff. Doch im biologischen Anbau bekommt die Pflanze diesen Nährstoff nur aus dem Boden und durch organischen Dünger wie etwa Schweinegülle. 

Deshalb untersucht Claudia Daniel ab dem Jahr 2008 den Einfluss der Düngung auf die Menge der geernteten Rapsschoten. Und findet dabei auch eine Wechselwirkung zwischen dem Düngeniveau, also der Menge an eingesetztem Dünger und dem Schaden des Rapsglanzkäfers. Der Käfer beeinflusst den Rapsrrtrag nur auf den stark gedüngten Feldern.

Setzt man aber mehr Dünger ein, wird auch mehr Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen. Und für diesen Stoff gibt es einen Grenzwert, der nicht überschritten werden darf, um potentielle Schäden der menschlichen Gesundheit zu vermeiden. Deshalb dürfen Landwirt*innen gemäss der Bioverordnung auch nicht beliebig viel Düngen. Wenn sie also mehr Dünger im Raps ausbringen, müssen sie das im Folgejahr kompensieren. Das heisst, dass etwa das Getreide, das nach dem Raps angebaut wird, weniger Dünger erhält.

Somit gibt es zwei Wege, wie man in der biologischen Landwirtschaft Raps anbauen kann – den intensiven und den extensiven:

Claudia Daniel fragt sich welche Art der Landwirtschaft die Gesellschaft befürwortet. Ist es eine Landwirtschaft, die mit viel Input und vielen Nebenwirkungen billiges Industrieöl produziert? Die dem Bauern mit niedrigen Preisen Druck macht, immer intensiver zu produzieren? Sie fragt: „Wollen wir uns im Bioanbau an der Fehlentwicklung der konventionellen Landwirtschaft beteiligen?“ Oder sollten wir in Zukunft auf eine Agrarwirtschaft setzen, die zwar pro Hektar deutlich weniger Ertrag bringt, aber gleichzeitig den Bienen und anderen Insekten als Lebensraum dient? Die weniger in das ökologische Gleichgewicht eingreift? „Sind wir weitsichtig genug, uns von der Denkweise der konventionellen Produktion zu lösen? Haben wir den Mut zu sagen Weniger ist Mehr?“, fragt die Agronomin.

Gesteinsmehl hält die Käfer fern

Zu Beginn des Projekts ist die Nachfrage nach Schweizer Biorapsöl sehr hoch. Deshalb möchte Claudia Daniel schnell eine geeignete Anbautechnik finden. Dafür lässt sie sich von einer Methode aus dem Altertum inspirieren: Schon die alten Ägypter haben bei der Lagerung von Getreide Steinmehl in ihre Tongefässe gegeben, um Schädlinge abzuhalten.

Und Gesteinsmehl wirkt. Allerdings nicht so, wie viele Landwirt*innen das gewohnt sind:

Deshalb braucht es auch relativ lange Versuche von der Raps-Blüte bis zur Ernte, um zu zeigen, dass Steinmehle den Schaden reduzieren – auch wenn die Käfer noch da sind.

Nach dem die ersten Bedenken zerstreut sind, ist die Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen gut. Gemeinsam testen sie in den Jahren 2008 bis 2012, wie man das Gesteinsmehl am besten auf die Felder aufbringt. Sie versuchen es mit alten Düngestreuern aus Urgrossvaters Zeiten. Denn moderne Geräte zerstäuben das Gesteinsmehl bei der Ausbringung viel zu sehr. „Das gibt ne riesen Sauerei. Niemand will in so einer Staubwolke stehen“, sagt die Forscherin:

Damit die Produzent*innen die Steinmehle auch ohne Düngestreuer ausbringen können, testet die Agronomin flüssige Anwendungsformen der Gesteinsmehle. So können sie ganz einfach auf die Felder gespritzt werden.

Doch all die Bemühungen helfen nichts. Es stehen zu viele administrative Hürden im Wege. Auch intensive Laboruntersuchungen, die den Wirkmechanismus des Gesteinsmehls mit dem Namen „Klinospray“ erklären, reichen für eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel nicht. Denn Insektizide sollen Insekten töten. Aber das tun Gesteinsmehle nicht. Sie können deshalb eigentlich nur als Düngemittel zugelassen werden. Und ein Dünger kann laut Zulassungsbehörde nicht gleichzeitig ein Pflanzenschutzmittel sein. Es wird sich zeigen, ob der Wechsel der Behörde vom Bundesamt für Landwirtschaft ins Bundesamt für Lebensmittelsicherheit daran in Zukunft etwas ändern wird.

Allerdings ist heute nicht genau vorgeschrieben, wie ein Dünger eingesetzt werden darf. Er kann auch statt in den Boden auf die Blätter der Pflanzen aufgebracht werden. Und dort kann das als Dünger zugelassene Gesteinsmehl dann gegen Rapsglanzkäfer wirken.

Das macht die Beratung der Landwirt*innen nicht immer einfach. Denn man darf das Steinmehl „Klinospray“ eigentlich nicht zur Bekämpfung der Schädlinge empfehlen:

„Es ist schon frustrierend: Wir haben ein Mittel das wirkt und das auch noch sehr umweltschonend ist. Aber wir dürfen es den Bauern nicht empfehlen“, sagt Claudia Daniel.

Die Käfer mögen Zitronengras nicht

Auf einer Konferenz trifft die Wissenschaftlerin ein englisches Forscherteam, das verschiedene Duftstoffe als Abwehr gegen den Rapsglanzkäfer getestet hat. Obwohl Lavendelöl im Labor sehr gute Wirkung zeigt, sehen die Forscher*innen aber keine Möglichkeit wie sie diesen Geruch auf einem Feld anwenden können. Der Duft verfliegt im Freien einfach zu schnell. Deshalb hat das britische Team die Versuche abgebrochen.

Aber Claudia Daniel kapituliert nicht so schnell: „Ein Problem, das sich nicht so einfach lösen lässt, macht für mich den Anreiz aus.“

Deshalb beginnt sie 2013 zunächst im Labor mit einem sogenannten Olfaktometer fünfzehn verschiedene ätherische Öle und andere Pflanzenextrakte zu testen. Dabei misst sie wie stark deren Duft den Rapsglanzkäfer abstösst:

Claudia Daniel findet im Labor mehrere Duftstoffe, die sogar besser wirken als das in England getestete Lavendelöl. Mit dem Duft des Zitronengrasöls forscht die Agronomin weiter. Denn er muss nicht nur im Labor, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt im Rapsfeld wirken. 

Zunächst versucht die Agronomin die Duftstoffe auf die Rapspflanzen zu spritzen. Genauso, wie man das mit einem konventionellen Insektizid macht. Aber die ätherischen Öle schädigen die Blätter. Deshalb verpackt die Wissenschaftlerin das Zitronengrasöl in Form von winzig kleinen Tröpfchen in hauchdünnen Membranen. Doch so verdunsten die ätherischen Öle zu schnell. Auch als Granulat ausgestreut, wirkt der Duft nicht gut. Denn diese kleinen Körner halten nicht auf der Blattoberfläche, sondern fallen zu Boden. Und dort schirmen die dichten Rapsblätter den Geruch von dem Ort ab, wo er eigentlich wirken soll: der Knospe. Auch wenn die Rückschläge frustrieren, ans Aufgeben denkt Claudia Daniel nie.

Nach mehrjährigen Versuchen im Labor und Feld findet die Agronomin dann endlich eine Art der Duftfreisetzung, die für das Zitronengrasöl gut funktioniert. Dafür entwickelt sie Bänder die als Duftverteiler wirken. Sie bestehen aus einem Trägermedium, auf dem das Zitronengrasöl aufgebracht ist und einer Hülle aus schwarzem, biologisch abbaubaren Plastik. Die genaue Materialzusammensetzung muss allerdings noch geheimgehalten werden, um das Zulassungsverfahren nicht zu gefährden. 

Diese Bänder sind am Rand des Ackers befestigt und liegen auf den Pflanzen auf. Dadurch wachsen sie mit dem Raps mit und sind zum kritischen Zeitpunkt genau auf Höhe der Knospen.

Claudia Daniel ist zufrieden. Ihr bandförmiger Duftverteiler hat den Vorteil, dass er lange wirkt. Deshalb können die Landwirt*innen den Duftstoff schon vor dem ersten Flug der Rapsglanzkäfer im Frühling ausbringen. Und müssen nicht erst auf warme Temperaturen warten. Das hat vor allem bei unsicherer Witterung gegenüber konventionellen Insektiziden Vorteile. Denn diese müssen gezielt zum richtigen Zeitpunkt gespritzt werden. Das zeigt sich auch in den Ergebnissen eines Versuches aus dem Jahr 2020, der die Wirkung des Duft-Verteilers mit bisher üblichen Insektiziden vergleicht:

Nun ist die Wissenschaftlerin auf der Suche nach einer Firma, damit ihre Entwicklung eine Zulassung bekommt. Dafür muss das Risiko für Nebenwirkungen und die Umweltbelastung geschätzt werden. Und das ist ein teures und aufwendiges Verfahren, dass sich nur lohnt, wenn ein Mittel zukünftig auch ausserhalb des Bioanbaus auf konventionellen Feldern eingesetzt wird. Daher glaubt Claudia Daniel: „Firmen werden sich erst dafür interessieren und Geld in die Hand nehmen, wenn konventionelle Insektizide verboten sind.“

Für die Agronomin ist das Rapsprojekt nun abgeschlossen. Auch wenn es ungewiss ist, ob ihre neueste Entwicklung im Kampf gegen den Rapsglanzkäfer jemals zugelassen wird und in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Sie findet es wichtig, dass man als Forscher*in Projekte auch mal loslässt, wenn sie fertig sind. „Es ist spannend, auch mal etwas Neues zu machen“, sagt die Forscherin. 

Zur Zeit arbeitet sie an mehreren Forschungsprojekten zum biologischen Pflanzenschutz. Zum Beispiel sucht sie neue Strategien gegen Wanzen, die von heissen Sommern profitieren und immer mehr Probleme im Birnen- und Beerenanbau verursachen. Dazu untersucht sie die Biologie dieser Insekten um herauszufinden welchen Einfluss der Standort auf ihre Entwicklung hat. Mit diesen Erkenntnissen möchte sie Ansatzpunkte für eine effiziente Regulierung finden. Und ein System entwickeln, das den Landwirt*innen betroffener Kulturen bei der Entscheidung hilft, welches die geeignetste Pflanzenschutz-Strategie für sie ist.

Ihre Arbeit für einen praxistauglichen, nachhaltigen Pflanzenschutz ist also noch lange nicht beendet.

Quellen:

Claudia Daniel und Thomas Alföldi (FiBL Schweiz)

Mathias Forster, (Bio-Stiftung Schweiz)

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Claudia Daniel, Sophie Thanner und Thomas Alföldi (FiBL Schweiz)